Geheime Bünde und Orden

Reiseberichte aus dem Sanella-Album Afrika

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Seite 65

Geheime Bünde und Orden

Als wir weiter in südwestlicher Richtung vordrangen und uns dem Gebiet von Sierra Leone und Liberia näherten, erreichten wir den Abschnitt eines Landes, der durch besonders krasse Formen von Mystizismus und Geheimbünden in aller Welt bekannt wurde. Der Poro, eine weitverbreitete, aber geheime Organisation der Schwarzen, ist seit Jahrhunderten ein bedeutender Machtfaktor. Tief im geheimnisvollen Busch versteckt, werden in besonders errichteten Lagern junge männliche Schwarze zusammengetrieben. Dort werden die Elf bis Fünfzehnjährigen unter ungewöhnlich harten und schmerzhaften Bedingungen zum Manne erzogen. Bald nach dem Eintritt ins Lager werden die Jungen gezeichnet. Der Neuling wird, über ein Kreuz gebeugt, an Händen und Füßen gefesselt. Mit oft mehr als hundert Stichen bekommt er das Zeichen der Poro mit scharfen Messern eingeschnitten. Damit die Schnitte sichtbar bleiben, reibt man Pflanzensäfte in die Wunden. Diese heilen dann unter Qualen zu großen Narbenmustern. Jahrelang dauert dann die weitere harte Ausbildung, bis später die mannbaren Knaben in besonders festlichen Riten ihren Stämmen wieder zugeführt werden. Ähnlich wie der Poro Bund bei den Männern, haben die geheimen Frauenbünde, sogenannte "Sande", die Erziehung der angehenden Frauen zur Aufgabe. Besonders gefährlich und gefürchtet aber sind die Geheimbünde der Panther-, Tiger- und Krokodilmenschen. Trotz schärfster Verfolgung von allen Regierungsseiten werden von diesen Bünden immer wieder geheimnisvolle rituelle Morde bekannt.

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LIBERIA- EIN PARADIES?

Bald hatten wir das Hinterland von Liberia erreicht. Von den bis zu 1000 Meter hohen Bergen neigte sich das Land terrassenförmig der Küste, dem weiten Meere, zu. Ein geradezu bezauberndes Bild paradiesischer Schönheit offenbarte sich uns. Elefanten, Antilopen, Büffel, Schweine, Affen, Riesenskorpione und Zwergflußpferde, gefährliche Reptilien und meterlange Riesenschlangen, Riesenschildkröten, Leoparden und Schimpansen gab es so zahlreich, daß sie eine wahre Landplage bildeten. Diese Tiere vernichten ganze Ernten. Die Früchte, die ich in Liberia aß, mundeten geradezu köstlich. Riesige Bananen, Melonen, Orangen, Ananas, Mangopflanzen und Avocados boten für Feinschmecker reiche Abwechslung. Auch das kleine Naturwunder der seltsamen Hibiskusblüte konnte ich in Liberia beobachten. Weiß strahlte sie in der Morgensonne, und in tiefes Rosa gefärbt, neigte sie sich in der Abenddämmerung. Die liebliche Mondblume aber blühte in der Nacht und schloß erst im Morgengrauen ihre Kelche. Orchideen, Poinsettia, Oleander, Alamander und Frangipanisträucher überboten sich in ihren berauschenden Düften.

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Auf den guten Straßen der weiten Kautschukpflanzungen konnten wir stundenlang gemütlich fahren, um dann plötzlich am Rande dieser Gebiete auf einem primitiven holperigen Lehmwege zu landen. So fuhren wir auch auf einer schlechten Straße, an einem schläfrigen Verkehrspolizisten vorbei, in das Zentrum der Hauptstadt von Liberia, Monrovia. Als wir die wilde Häufung primitiver Wellblechbaracken neben einigen ordentlichen Gebäuden entdeckten und nur zwei schlecht gepflasterte Straßen das Stadtbild zierten, waren wir tief erschüttert. Doch Monrovia hat - allerdings mit amerikanischem Geld gebaut - einen großen Flugplatz und einen ausgezeichneten modernen Hafen. Die Republik Liberia ist in ihrer ganzen Art ein Kuriosum. Sie wurde 1822 mit Hilfe der Vereinigten Staaten durch die befreiten amerikanischen Negersklaven gegründet. Heute wird sie von 15 000 amerikanischen Liberianern beherrscht, die als führende Schicht mit Verachtung auf die Eingeborenen herabsehen. Liberia ist ein traumhaft reiches Land. Eine beinahe unberührte Schatzkammer, gefüllt mit Gold, Diamanten, Perlen, reichen Eisenerzen und kostbaren Hölzern. Und doch - ist es ein Paradies?

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